Geld und Psyche
23. November 2018 – 6. Januar 2019
Mit Arbeiten von Elisabeth Greinecker, Meschac Gaba, Nicolás Guagnini, Martin Hotter, Annette Kelm, Kitty Kraus, Ilya Lipkin, Jonas Lipps, Cildo Meireles, Gunter Reski, Sarah Szczesny und Amelie von Wulffen
Ausgangspunkt der Ausstellung bildet ein Nachdenken darüber, dass Geld, obwohl es als gefühllos, neutral und berechenbar gilt, Einfluss auf unsere Psyche nimmt. So schreibt etwa die Malerin und Schriftstellerin Franziska zu Reventlow in ihrem Briefroman „Der Geldkomplex“ (1916), dass Existenzängste und Geldsorgen größeren negativen Einfluss auf die psychische Stabilität des Menschen haben, als beispielsweise in der Kindheit Erlebtes. In der Ausstellung geht es darüber hinaus aber auch ganz faktisch um Geld als Objekt und darum, wie eine an sich wertlose Materialansammlung zu Wert werden kann. Geld muss nämlich benutzt wie auch beglaubigt werden. Es muss zirkulieren und kann seine Funktion erst und nur erfüllen, wenn, obgleich es sich an den Einzelnen richtet, alle an seine Wertbeständigkeit glauben. Dass diese Glaubwürdigkeit aber auch unterminiert werden kann, zeigt sich in der Überlieferung, dass unter der römischen Besetzung Jerusalems die jüdische Bevölkerung die neu geprägten, oft wechselnden Münzen der Besatzungsmacht nicht akzeptierte, sondern ihre alte Währung einfach weiter verwendete. Hierin liegt ein Aspekt von Rebellion. Geld ist aber auch die Fähigkeit zur Transformation eingeschrieben, kann es sich doch in alle möglichen Dinge verwandeln, deren Wert es zunächst lediglich verkörpert. Geld hat ein unberechenbares Wesen.
Ein weiterer Aspekt, der uns interessant erscheint, ist die überaus ambivalente Rolle, die Geld im Feld der Kunst einnimmt. Einerseits ist es treibender und nahezu alles bestimmender Motor. Gilt Kunst doch als vielversprechendes Anlage- und Spekulationsobjekt, dreht sich in amerikanischen Museen alles um Fundraising und stammen laut soziologischer Studien Künstler*innen meist aus finanziell besser gestellten Gesellschaftsschichten; was nichts anderes heißt, als dass man es sich leisten können muss, Kunst zu machen bzw. machen zu wollen, sowohl in finanzieller Hinsicht als auch als denkbares Lebensmodell. Andererseits wird die Rolle des Geldes geradezu auffällig ausgeklammert und verdrängt. Soll es beim Kunstmachen doch keine Bedeutung haben, nicht Grund und Ziel der Beschäftigung sein. Kunst sei im Gegenteil Berufung, nicht Job. Mit diesem Credo geht die Vorstellung einher, dass eine solche Praxis unbestechlich und unabhängig von institutionellen wie ökonomischen Verwertungssystemen sei, mithin authentisch, was seit jeher im Zentrum des Marktbegehrens steht. All dies kommt einer Substanzialisierung, einer Aufladung von Kunst gleich, die sie zu etwas Höherem und Hehrem macht, welches sich jenseits von materiellen, sprich finanziellen Sphären verortet. Unter dieser Perspektive wird auch verständlich, warum im Feld der Kunst (ebenso wie in anderen Felder kultureller Produktion) mit symbolischem Kapital gehandelt wird bzw. gehandelt werden kann. Dieses löst sich (wenn überhaupt) jedoch erst sehr viel später in finanziellem ein und fußt auf einer kollektiven Bürgschaft, von der nur geglaubt, aber nicht gewusst werden kann, dass sie trägt. In diesem Gebundensein an eine das Faktische übersteigende Übereinkunft trifft sich das symbolische Kapital wiederum mit dem Geld.
Kuratiert von Stefanie Kleefeld und Ulla Rossek.
Die Ausstellung wir grosszügig gefördert durch die Stiftung Niedersachsen, die Niedersächsische Sparkassenstiftung und die Sparkassenstiftung Lüneburg. Das Vermittlungsprogramm wird ermöglicht durch das Land Niedersachsen, die LAGS und die Lüneburger Bürgerstiftung. Das Jahresprogramm der Halle für Kunst Lüneburg wird realisiert Dank der Förderung des Landes Niedersachsen, der Hansestadt Lüneburg und der Sparkassenstiftung Lüneburg. Unser Dank gilt zudem Sophie Hipp, Fürstenberg Zeitgenössisch, Donaueschingen, der Galerie Tanya Leighton sowie der Galerie Lars Friedrich.
The starting point of the exhibition is a reflection on the fact that money, although it is considered as unfeeling, neutral and calculable, has an impact on our psyche. The starting point of the exhibition is a reflection on the fact that money, although it is considered as unfeeling, neutral and calculable, has an impact on our psyche. The painter and writer Franziska zu Reventlow wrote in her epistolary novel “Der Geldkomplex” (1916) that existential fear and financial worries have a more negative effect on the psychological stability of humans than childhood experiences, for example. The show furthermore deals quite factually with money as an object and how an inherently valueless accumulation of material can attain value. For money must be used and authenticated. It must circulate and can fulfill its function, even if it is addressed to the individual, only when everyone believes in its stability of value. But that this credibility can be undermined is demonstrated by the what was said about the Jewish inhabitants of Jerusalem, who under Roman occupation refused to accept the newly minted and often changing coins, and simply continued to use their old currency. This bears an aspect of rebellion. Yet also inscribed in money is the ability to transform, since it can turn into all sorts of things whose value it initially only embodies. Money has an incalculable essence.
A further interesting aspect is the extremely ambivalent role that money plays in the field of art. On the one hand, it is a driving force that determines just about everything. Since art counts as a promising investment and speculation object, everything revolves around fundraising in American museums, and according to sociological studies, artists are mostly from financially better off social classes, implying nothing less than that one must be able to afford making or wanting to make art, both in financial terms and as a conceivable model of life. On the other hand, the role that money plays is quite conspicuously bracketed out and suppressed, because it ought to be insignificant when making art, it should be neither its reason nor its aim. Quite to the contrary, art is supposed to be a vocation and not a job. This credo goes hand in hand with the notion that such a praxis is incorruptible and independent of both institutional and economic systems of exploitation and therefore authentic, something that has always been at the center of what the market desires. All this amounts to an essentialization, a charging of art that makes it something more superior and sublime, locating it beyond material, meaning financial, spheres. From this perspective, it also becomes comprehensible why it is possible to trade with symbolic capital in the field of art (just as in other fields of cultural production). Yet this symbolic capital is converted only much later (if at all) into financial capital and is based on a collective guarantee in which one believes, but of which one does not know if it is sustainable. In this connectedness to an agreement going beyond the factual, symbolic capital then encounters money again.